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  Auf Arbeit auf Malta 2006
Zum Ende des Oktober 2006 verdichteten sich die Hinweise dafür, dass im Rahmen eines EU-Projektes auf Malta die von mir entwickelte Software VPS.system  noch in jenem Jahr eingesetzt werden sollte.
Ab Mitte November traten wir mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, GTZ, in konkrete Verhandlungen für einen Einsatz im Dezember 2006.
Kurz vor Ende November, 4 Wochen vor Weihnachten und mit einem Wurf junger Hunde im Haus, unterzeichneten wir die Verträge und flogen ab auf die kleine steinige Sonneninsel kurz vor Afrika. Wir wurden als Short Time - Experts von der GTZ engagiert. Meine damalige Freundin Norma als fachliche Beratung in Sachen Schadstoffunfallbekämpfung und Übersetzerin und ich als Softwareentwickler.

Den Wurf junger Hunde und das Haus übernahm dankenswerter Weise und mit viel Engagement Sohn Matti ...

Die folgenden Texte sind den Mails entnommen, die ich wöchentlich in die Heimat sandte, um Familie und Arbeitskollegen von unserem Dasein in der Fremde Kunde zu geben.
 
Zuerst natürlich die Arbeit: die Beschäftigung mit deutschen Behörden ist ja schon langwierig aber hier ist das nochmal einen Zahn schärfer. Ich hoffe in dieser Woche heraus zu bekommen, was von der hiesigen Hafenbehörde nun einerseits gewollt wird und was das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie, in dessen Auftrag ich hier bin, zu liefern bereit ist.
Dessen ungeachtet schraube ich aber am normalen VPS weiter und erfasse nebenbei ein paar Geodaten für die zukünftige maltesische Version.

Das sonstige tägliche Leben ist von Dunkelheit geprägt, denn Malta liegt ja nur südlich von uns und ab Feierabend ist es hier ebenfalls dunkel, sodass mit abendlichem Sightseeing nicht viel los ist. Darum prägte in der ersten Woche vorrangig der Berufsverkehr unser Bild von Malta. Und innerhalb dessen fährt man Bus.
Busfahren ist auf Malta deutlich bequemer als alles andere (Fahrrad fahren ist quasi lebensgefährlich), da Malta nicht nur die höchste Einwohnerdichte der EU hat, sondern auch die höchste Dichte von Fahrzeugen pro m².
Dazu kommen noch ein sehr holpriges Straßennetz und der Linksverkehr (der mir eigentlich nichts ausmacht, aber in einem Mietwagen muesste man auch noch mit links schalten...). Alternativen zum Bus gibt es eigentlich nicht, eine Eisenbahn gab es früher mal unter den Briten, ist aber nicht mehr existent.

Die Busse: die Busse überspannen mit ihrem Baujahr die 60er Jahre des vergangenen Jahrhunderts bis zur aktuellen Gegenwart, haben alle nur eine Tür vorne (der Fahrer kassiert - natürlich auch während der Fahrt) und haben alle hinten einen kleinen Notausstieg für den Katastrophenfall. Ein solcher  ist in der letzten Woche noch nicht eingetreten, obwohl es reichlich Gelegenheit dazu gegeben hätte.
Bei den älteren Exemplaren hat man als Passagier das Gefühl, als hätte man Hautkontakt mit dem Differential der Hinterachse und der Turbo pfiffe direkt unter dem Sitzpolster. Die Tür ist grundsätzlich offen, zum Ein-und Aussteigen können Bushaltestellen sowie rote Ampeln und andere verkehrsbedingte Aufenthalte benutzt werden.
An der Decke der älteren Busse läuft eine Reißleine, mit der man eine Glocke über dem Fahrer betätigen kann und diesem damit mitteilt, dass man bei nächster Gelegenheit auszusteigen wünscht. Anderenfalls wird durchgebrettert.
In den neueren Bussen (geschätzt ab Beginn der 80er Jahre des 20. Jhh.) sind die Leinen durch Knöpfe ersetzt, die man aber erst einmal suchen muss, da sie irgendwo an der Decke, Haltestangen oder Seitenverkleidungen versteckt sein können... Reißleine ist deutlich praktischer.
Eine Busfahrt im Großraum Valletta (Vorsicht Großraum: die gesamte Hauptinsel von Malta ist nur 27 km Luftinie lang...) kostet 20 Cent, das sind 0,5 Euro. Eine Tageskarte kostet 1,5 Pfund, sind ca. 3,60 Euro. Also durchaus humane Nahverkehrspreise, mit denen man immerhin mehrfach durch das gesamte Land reisen kann.

Der Malteser Bürger an sich ist sehr freundlich, offen und hilfsbereit und besteht gentechnisch und kulturell aus einer Mischung zwischen Nordafrikaner, Italiener und Briten. Die Sprache ist eine Mischung aus Phönizisch und Arabisch und klingt eigentlich ziemlich Arabisch. Englisch wird für Touris und manchmal im Beruf gesprochen, ist aber auch zweite Amtssprache und - wenigstens teilweise - Sprache des Schulunterrichts. Mädels in der Sitzreihe vor mir (im Bus) paukten jedenfalls unterwegs noch Hefterseiten, die englische Mitschriften in Informatik (!) beinhalteten.

Aber richtig britisch ist hier bis auf den Linksverkehr, die zweite Sprache, ein paar alte Telefonzellen sowie eine Vielzahl alter englischer LKW, PKW und Busse kaum etwas. Es ist ein typisch südeuropäisches Miniland mit afrikanischem Einfluss, deutlich südlicher Vegetation, vielfältiger Geschichte, vielen kleinen zerbeulten Autos, leicht angemüllt und sehr entspannt.
 
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Leider ist nun schon die halbe Zeit des Aufenthaltes in der europäischen Provinz vergangen, aber man hat sich nun gut eingelebt und kann mit den widrigen Bedingungen vor Ort umgehen. Dazu gehört z.B. die harte Sonnenbestrahlung, gegen die so langsam die Pigmente wachsen.
Weiterhin ist im Büro der einzige mitgenommene Pullover deponiert, um in dieser Bauwerk gewordenen Klimaanlage ohne größere Erkältungen hinzukommen. Offenbar gehört es zum guten Ton, die Klimaanlage laufen zu lassen, auch wenn draußen gemütliche 20°C herrschen.

Weiter zur Kulturgeschichte der Malteser: das Religiöse. Der Maltese ist mehr oder weniger katholisch, seit Paulus dazumal seinen Fuss auf die Insel setzte. Die Kirchen sind gut besucht, auch in den Bussen versprechen diverse Aufkleber, dass der Fahrer Jesus liebt und ganze Marienfiguren haben Platz auf dem Armaturenbrett, in Kapellen und Andachtsschreinen am Wegrand und anderswo.
Die Marienverehrung gipfelt alljaehrlich am 8. Dezember, denn da wird dero unbefleckte Empfängnis mit einem öffentlichen Feiertag gewürdigt. An diesem Feiertag finden in manchen Gemeinden Festas statt, während derer Marienfiguren durch den Ort getragen werden und jeder, der etwas zu sagen hat, vor die Figur hintritt und sie im wahrsten Sinne des Wortes anruft bzw. anschreit. Worum es jeweils genau geht, weiß ich nicht, da diese Anrufe durchgängig auf maltesisch erfolgten.
Dies alles spielt sich bei erheblichem, aber freundlichem, Gewühl, flotter schwungvoller Marschmusik sowie permanenter Knallerei und Feuerwerkerei ab, sodass von stiller Besinnlichkeit keine Rede sein kann.

Trotz aller arabischer Einflüsse in Sprache und Baustil gibt es keine Moslems, Muezzine und Moscheen, nur katholische Kirchen prägen die Landschaft. Übrigens schlägt Malta sogar die katholische Hauptstadt Rom in der Kirchendichte pro Einwohner ganz locker. Und das liegt nicht nur an den wenigen Maltesern, sondern daran, dass hier wirklich an jeder Ecke eine Kirche oder Kapelle steht.

Auch bei den Touren am Wochenende trifft man allerorten auf den fleissigen arbeitenden Malteser, denn trotz Katholizismus ist das Gebot der Sonntagsruhe scheinbar nicht bekannt. Die Geschäfte haben sowieso immer auf und auch auf dem Bau dreht sich auch am WE der Bagger. Die Durchsetzung des Arbeitsschutzes sowie die nicht vorhandenen Baugrubensicherungsmassnahmen würden jedem deutschen Sachverständigen den Schweiß in die Augen treiben.
Die Arbeitswut kann aber auch daran liegen, dass jetzt im sogenannten Winter das geschafft werden muss, was im Sommer wegen der Hitze nicht wird.

Wanderungen über die nördliche Insel Gozo bringen am 2. Adventswochenende das Erlebnis von wogenden Narzissenwiesen, Schmetterlingen und frühjahrsbestellenden Bäuerlein. Weiterhin die Feststellung, dass man doch die Sonnenschutzcreme hätte mitnehmen sollen.

Am Sonntag tritt während des Winterhalbjahres von Oktober bis März eine weitere englische Tradition in Aktion: Trabrennen. Auf der einzigen Rennbahn trifft sich das pferdeliebende und wettende Publikum, um die Rennen auf der Kalkbahn zu verfolgen.
Die Pferde sind alles Importe, die meisten aus Schweden und Finnland (!), da auf Malta aus Gründen des Platz- und Grasmangels keine eigene Pferdezucht betrieben wird. Bleibt nur zu hoffen, dass die armen nordischen Pferde im Sommer, wo keine Rennen stattfinden, wenigstens in kühlere Regionen ausgeflogen werden.
Die englische Tradition der Rennen erschöpft sich dann aber darin, dass das Rennen überhaupt stattfindet. Von der begleitenden mondänen champagnernippenden Gesellschaft oder gar der wagenradgroßen Hutschau opernglasguckender Ladys keine Spur. Statt dessen Familienausflug von Oma bis Enkelkind und die Gasse der Wettschalter wird eher von den goldkettchenbehängten Männern bevölkert. Die Wetteinsätze pegelten alle noch im höheren Taschengeldniveau, sodass elegante geldhabende Schichten hier nicht mehr vertreten sind.
 
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Das letzte Wochenende war mal von trübem Wetter, local showers und Starkwind geprägt, sodass auf unseren Wanderungen durch das Land die Fotoausbeute eher mager war. Passend zum Wetter haben wir u.a. den Großfriedhof von Valletta besucht, weil Friedhöfe vielerlei Studien der lokalen Lebenskultur zulassen und entsprechend interessant sind.
Eine Erkenntnis: die Müller, Meiers und Lehmanns heissen hier Galea, Farrugia und Borg. Nur ca. 15% der Inselbevölkerung hat andere Namen und sind ausnahmsweise mit den steinzeitlichen Erstbesiedlern, die wohl Galea, Farrugia und Borg hiessen, nicht direkt verwandt.
Weiterhin sind die Grabplatten, die die englischen Streitkraefte ihren Gefallenen angefertigt haben, sehr schön gemacht und von so guter Qualität, dass sie aussehen wie neu, obwohl sie schon fast 100 Jahre liegen.

Am Abend gab es dann 'Casino Royal' auf englisch in einem tierisch lauten maltesischen Kino.

Die letzten Fotos behandeln noch das moderne und überklimatisierte Arbeitsumfeld der Malta Maritime Authority, die sich im Hafen von Valletta befindet. Die Fotos entstanden während der Weihnachtsfeier an unserem letzten Arbeitstag.
Der Hafen von Valletta ist, verglichen mit dem Containerterminal in Marsaxlokk an der Südostspitze der Insel, ein sehr alter, athmosphärischer und vor allem unaufgeräumter Hut.
 
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