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11. Tag, 6. Juli, Ostsee, Schönberger Strand
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Die vergangene Nacht war dadurch bestimmt, dass stündlich Schiffkonvois durch
mein Zelt fuhren und ich ansonsten bemüht war, nicht seitlich von meiner schräg
liegenden Matte zu rutschen.
Es ist schon nicht einfach durchzuschlafen, wenn in 25m Entfernung
ausgewachsene Hochseedampfer, wenn auch in gedrosselter Fahrt, am Zelt vorbei
brummen. Aber so ist das nun einmal, wenn man unmittelbar am Ufer der
meistbefahrenen künstlichen Seeschiffahrtstraße der Welt zeltet.
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Nach der unruhigen Nacht penne
ich bis halb neun und komme so erst kurz nach 10 Uhr auf das Wasser des Kanals.
Der wieder sehr frisch nach der Windstille der Nacht erwachte Westwind treibt
mich aber sehr gut und schnell durch den Kanal.
Ein Grund übrigens, den Kanal nie von Ost (Kiel) nach West (Brunsbüttel) zu
befahren, wenn man auf Muskelkraft angewiesen ist! Die langen Gegenwindgeraden
im ja meist wehenden Westwind würden wohl jeden Paddler zermürben, der dies
nicht aus Trainingsgründen auf sich nimmt.
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Bald wird die Siedlungsdichte höher, wir nähern uns Kiel. Nachdem der
Kanalhafen passiert ist, der auch schon bessere Tage gesehen haben muss, ist
die Kanalschleuse in Sicht. Bei einem Segler erkundige ich mich wieder, wie die
Schleusung hier für Sportboote abläuft und er erklärt mir die Lichtzeichen, die
anzeigen, dass Sportboote einfahren dürfen: ein einzelnes weißes Licht oben an
der Ampel.
Nach Aufleuchten der erforderlichen Ampellichter stürzen sich alle Segler und
Yachten, die bisher in den Weiten des Kanals vor der Schleuse dümpelten oder
kreuzten, auf die Schleuseneinfahrt.
Ich lasse alle vor und hänge mich dann
zwischen zwei der Yachten. Die Skipper verschwinden alle irgendwohin, bald
bekomme ich mit, dass sie wohl Schleusengebühr bezahlen gingen. Ich habe gar
keine Lust, mich erst aus dem Boot zu pellen, es anzubinden und zum
Schleusenwärter hochzutigern. Also lasse ich es drauf ankommen und bleibe
sitzen. Und siehe da: es schleust auch ohne meinen Beitrag und als ich aus der
Schleusenkammer gleite, nickt mir der Schleusenwärter freundlich zu.
Paddlerbonus eben, echte Seemänner wissen das zu würdigen.
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Endlich Ostsee! Klares Wasser,
keine Gezeiten, Wellen, weiter Himmel und Wasser bis zum Horizont! Aber auch:
haufenweise Touris und Strandläufer, die einem das wilde Zelten verleiden,
salzwassergetränkte Klamotten, die kaum trocknen, wenn nicht die pralle Sonne
scheint, zunehmende Windempfindlichkeit, sichtbehindernde Salzkrusten auf der
Brille und höchste Alarmstufe, was Wasserspritzer auf der Kamera betrifft.
Nach der Schleusung ist Mittagspause und ich ziehe mir ein T-Shirt unter die
Paddeljacke, denn bei der Warterei vor der Schleuse ist mir kalt geworden, die
Sonne macht sich rar und der Wind weht frisch.
Der Wind sorgt auch für ordentlich Wellen auf der Kieler Förde, die noch
ordentlicher werden, als die Förde breiter wird und
letztlich in die offene See übergeht. Ich bleibe weit draußen vor der Küste, denn hier ist das Wasser tief,
die Wellen länger und sie brechen nur ganz selten. In Küstennähe vor den
Stränden rauscht ordentlich die Brandung und Surfer flitzen hin und her.
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In stetem Auf und Ab verbringe ich den Nachmittag und schaffe noch etwa 23 km
Seepaddeln, denn trotz Wellengang schiebt ja der Westwind mich recht effektiv
die Küste entlang gen Osten. Die Küste verläuft später südöstlich, sodass ich
den Wind wieder mehr seitlich habe, das bedeutet seitliches
Wellenabreiten und eine komplett nasse Jacke steuerbords, weil die
Spritzer vom Paddeln sofort auf mich draufklatschen. Ich fahre trotz jetzt
strahlender Nachmittagssonne mit Kapuze, sonst würde mir das Ohr voll Wasser
stehen.
Nachdem die Erholungs- und Spaßinfrastruktur am Strand mit zunehmender
Entfernung von Kiel etwas gemäßigter zu werden scheint, nähere ich mich der
Küste und erspähe durch mein kleines Fernglas hinter einem Deich Strukturen,
die zu einem Zeltplatz gehören könnten. Meine Frage rufe ich in das
Strandleben, erhalte positive Antwort, nehme Anlauf und rausche auf den Strand.
Nachdem ich das Boot aus der Brandung, die hier aufgrund des Küstenverlaufes
aber gemäßigt ist, gezogen habe, muss ich erst
einmal zwei Interviews über das
Woher und Wohin geben. Wenn ich sage "gepaddelt ab Dessau", ernte ich große
"Ah's", denn Dessau ist för die Leute hier ganz tief unten im Osten und keiner
ahnte bisher, dass man von dort bis an diese lichten Strände hier nur mit einem
roten Paddelboot käme.
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Ja, der Zeltplatz ist ganz ordentlich, wetterbedingt
nur mäßig befüllt. Nach
der rein mündlichen Anmeldung auf evtl. Bezahlung
angesprochen, meint der Platzwart nur "Dann geh man
tau!". Was so ein Kajak, auch wenn man es nur auf dem
Bootswagen über den Campingplatz rollert, wieder für Wirkungen hinterlässt!
Die so gesparten 8 Euronen investiere ich, nachdem alle Sachen getrocknet sind,
ich endlich den in Hamburg erworbenen Nahtdichter auf dem Zelt verschmieren
konnte, geduscht und rasiert bin, in ein Stück Heilbutt, eine Schrippe und ein
Flens beim Fischstand an der Strandpromenade.
Der Wind ist weg, die warme Abendsonne strahlt, die See liegt blau und platt,
der Heilbutt duftet und das Flens schmeckt. Danach
beende ich den Gang über die
Promenade aber sehr schnell, denn hier gibt es nichts Sehenswertes für meinen
Geschmack.
Im Zelt koche ich Tee für morgen, esse noch eine Stulle mit Knobi und schreibe
Tagebuch. Für morgen, allerdings nur für morgen, ist richtig gutes Wetter
angesagt, ich werde zentimeterdicke Schichten Sonnencreme auflegen müssen.
Leider dreht der Wind ab Nachmittag auf Ost - igitt: wieder Gegenwind!
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