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4. Tag, 26. Juni, Elbe Fluss-km 508
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Dies war der Tag des Gegenwindes.
Der Morgen beginnt mit Kaiserwetter, Sonne auf dem Zelt, leichter Wind, kaum
Wolken. Entsprechend lange dauert das Frühstück und ich sitze erst halb neun in
meinem Kahn.
Nach dem Ablegen und den ersten Paddelschlägen schaue ich mich gewohnheitsmäßig
noch einmal um: das liegt noch etwas Rotes am Ufer! Fast hätte ich mein Zelt,
den Wasserkanister und den Bootswagen liegen lassen!
Die Sachen hatte ich bereits zum Ufer getragen,
bevor ich das Kajak vom Zeltplatz zum Ufer schliff, um
nicht mehr Gewicht über die Böschung ziehen zu
müssen als nötig. Beim Einsteigen und Ablegen habe ich dann völlig vergessen,
dass hinter mir noch die am Ufer liegenden Sachen auf die Gepäckluke geschnallt
werden müssen. Das wäre ja ein voller Erfolg geworden, wenn ich bei der
nächsten Pause 20 km weiter gemerkt hätte, dass meine wichtigsten
Ausrüstungsgegenstände fehlen. Aber dafür hat man ja seine guten Gewohnheiten
und so werde ich auch zukünftig immer noch einen Blick zurück werfen, wenn ich
einen Ort verlasse.
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Bald nach dem wiederholten
Ablegen frischt der Wind merklich auf, die Wolken werden zahlreicher, die
Wellen auf der hier recht breiten Elbe wachsen sofort auf Freibordhöhe, die ja
beim Kajak nicht so groß ist, und so nestele ich wieder die dichte Spritzdecke
hervor und mache die Luken dicht.
Bis zum Mittag ist gewaltiges Keulen gegen den steifen Nordwestwind
angesagt, der nur zuweilen durch eine günstigere Fließrichtung des
mäandrierenden Flusses gemildert wird.
Am späten Vormittag taucht auch der erste Wachturm der
ehemaligen Grenzanlagen am östlichen Flussufer auf, ab hier war die Elbe bis 1990 Grenzfluss. Das ist
schon bemerkenswert, wie sich innerhalb weniger Jahre die Verhältnisse
so ändern können, dass man auf dem ehemaligen völlig unerreichbaren Grenzstreifen
nun Kajak fahren kann.
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Vor der geplanten Mittagspause
segelt eine besonders schwarze Wolke heran und entlädt
sich auch gewaltig über
dem Fluss. Mir kann nichts passieren, die Luken sind dicht, ich ziehe mir nur
die Kapuze drüber und stemme weiter gegen den Wind. Da nach dem Schauer die
ganze Gegend nass ist, laufe ich in den Sporthafen Schnackenburg ein, zumal ich
auch etwas Brot besorgen muss.
Der Hafenmeister begrüßt mich freundlich und wir bereden wieder das
übliche
Woher und Wohin. Dabei erfahre ich, dass Schnackenburg die kleinste Stadt
Niedersachsens ist - die aber keinen einzigen Laden mehr hat! Beim
Stadtrundgang ist dann auch deutlich zu merken, dass es sich nicht mehr um eine
funktionierende Stadt, sondern um eine auf höchstem Ordnungsniveau und
Reinheitsgebot befindliche Fachwerkwohnanlage handelt. Sieht zwar alles toll
aus, ist aber - bis auf 2 Kneipen und einen Elektriker - tot.
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Im Hafencafe, eher eine
rustikale Freiluftkneipe, ziehe ich mir Bratkartoffeln mit Matjes rein,
genehmige mir einen Radler und einen Milchkaffee und trolle mich dann wieder in
Richtung Hafen in der Hoffnung, dass nicht alle wohlstandsdeutschen
arbeitsbefreiten Dörfer und Städtchen mal so enden.
Der Hafenkapitän fragt mich beim Abschiedspalaver dann, ob ich die Reise in
meinen Semesterferien mache - ich muss erstmal überlegen, wie er das jetzt wohl
meint. Auf meine Nachfrage hin bestätigt er wirklich, mich für einen Studenten
zu halten. Naja, in Niedersachsen sollen Studenten ja bis hoch in den
Dreißigern auftreten, aber als ich dann mit meinem tatsächlichen ausgereiften
Alter herausrücke meint er, da hätte er wohl auch mehr paddeln gehen sollen ...
Recht hat er!
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Der Nachmittag bleibt graublau und gegenwindig, aber mit abnehmender Tendenz.
Das Land ist ziemlich platt bis auf wenige Endmoränen, auf denen auf dem
westlichen Ufer z.B. zwei gewaltige Sendemasten stehen, von denen aus zu
Zeiten des kalten Krieges die DDR mit Rock'n Roll bestrahlt wurde.
Lustig auch die ziemlich hohen Aussichtstürme aus Holzbalken, die sich auf der
Westseite der ehemaligen Grenze in Nähe der Ossi-Dörfer befinden, von wo aus
der Bundesbürger dann die Zonis im sozialistischen Experimentierlabor
beobachtete.
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Der Abend beschert mir einen idyllisch versteckten
und einsamen Zeltplatz, der aber nicht so ganz
hochwassersicher zu sein scheint. Egal - so schlimm wird
das Wetter nicht werden. Der laue Abend erlaubt dann
sogar ein paar Vollmondfotos über den dahinziehenden, leise glucksenden Strom, durch den prustend ein Biber
paddelt.
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